Kapitel 19

  • Der Fallensteller
 - auf OYJO!

Überall um ihn herum herrschte ein wildes Durcheinander. Unzählige Menschen schubsten, drängelten, feierten und grölten. Es hatte ihn heute Nacht in die Innenstadt gezogen. Traditionell begann das Oldenburger Stadtfest immer am letzten Donnerstag im August. Am Nachmittag hatte der Bürgermeister das Fest mit einem Fassbieranstich eröffnet. Jetzt, mittlerweile war es 23.30 Uhr, feierten die Oldenburger mehr als ausgelassen.

Ausnahmsweise spielte dieses Jahr auch mal das Wetter mit, es war T-Shirt-warm und trocken. Die Besucher genossen einen der vielleicht letzten richtigen Sommertage und feierten in der gesamten Oldenburger Innenstadt, als gäbe es kein Morgen. Überall konnte man die unterschiedlichsten Gruppierungen ausmachen. Der Donnerstag war traditionell der Tag der Firmen. Es ging um sehen und gesehen werden, Kontakte pflegen und ausgelassenes Feiern. Wie ausgelassen, das würde man am Freitagmorgen bemerken, wenn man irgendwo anrief. In vielen Unternehmen ging dann nicht selten eine sehr müde klingende Notbesetzung ans Telefon – oder gar keiner. Nicht wenige Betriebe machten am Stadtfestfreitag sogar ganz zu.

Um nicht komplett in das Gedränge hineingezogen zu werden und von dem Strom der sich durch die Achternstraße schiebenden Menschen mitgerissen zu werden, hatte er sich hinter einem Bierwagen direkt gegenüber der Hirschapotheke zurückgezogen. Von hier hatte er alles im Blick. Eben war der laienhaft wirkende, viel zu dicke Elvis-Imitator von der Bühne gegangen. Mit drei Zugaben hatte er das durchweg stark alkoholisierte Publikum gequält.

 Are you lonesome tonight?

Er hatte sich immer allein gefühlt, schon während seiner Kindheit; im Teenager-Alter und danach – bis heute. Das Bad in der Menge konnte die Einsamkeit auch nicht verdrängen, aber zumindest für einen Moment die Illusion erzeugen, nicht ganz allein auf der Welt zu sein. Der Alkohol leistete einen kleinen Beitrag. Morgen und heute Nacht würde er dafür bezahlen. Er konnte die sich leise heranschleichenden Kopfschmerzen schon erahnen. Auch die Stimmen würden ihn heute nicht zur Ruhe kommen lassen, aber das nahm er in Kauf – um sich für einen Moment nicht ganz allein und verloren zu fühlen.

Auf Elvis war die Rockband Consilium gefolgt. Die Songs von Saga, Toto und Brian Adams tönten durch den engen Gang vor H&M. Er nippte an seinem Bier, trommelte mit dem Finger im Takt auf den Tresen und glotzte einer drallen Endzwanzigerin in einem viel zu engen Shirt auf die üppigen Brüste. Etwas regte sich in ihm. Schnell sah er weg. Die Band spielte ein Stück von Supertramp, sein Blick wanderte zurück zu dem Mädchen. Mit der rechten Hand drückte er gegen den Reißverschluss seiner Jeans.

Unvermittelt schob sich jemand zwischen ihn und die Frau in sein Blickfeld. Er zuckte zusammen und fegte dabei sein Bierglas von der Tischplatte.

Keine zwei Meter von ihm entfernt drückte sich Anke Frerichs mit einer kurzhaarigen Frau an der Hand an ihm vorbei. Er erkannte sie sofort. Er hatte ihr Bild mehr als einmal in der Nordwest-Zeitung gesehen. Die Frau an ihrer Seite musste ihre Lebensgefährtin sein. Panik wallte in ihm auf, seine Hand glitt in seine Hosentasche zu seinem Springmesser, dessen Klinge er sorgfältig mit einer giftigen Substanz aus Fingerhutextrakt behandelt hatte. Schweiß rann ihm von der Stirn, eine Frau neben ihm schrie ihn wegen des runter geschmissenen Bieres an. Er registrierte nicht, was sie rief.

Er zwang sich zur Ruhe und zog sich langsam noch weiter in den Hintergrund zurück. Anke Frerichs drängte an ihm vorbei, ohne auch nur ansatzweise von ihm Notiz zu nehmen. Warum sollte sie auch? schalt er sich in Gedanken. Er entspannte sich etwas.

Mittlerweile hatte die Kommissarin die Hirschapotheke erreicht und bog in Richtung der Thalia Buchhandlung ab. Die Anspannung fiel nun fast gänzlich von ihm ab. Dann wechselte sein Gemütszustand von Erleichterung in Wut. Er hatte eine riesengroße Chance im wahrsten Sinne des Wortes ungenutzt an sich vorbeiziehen lassen. Außer sich vor Wut schlug er mit der Faust auf den Tresen. Die Frau, die immer noch lamentierend neben ihm stand, erschrak und machte sich schnurstracks von dannen.

Irgendwer musste dafür bezahlen. Jetzt! Er musste diese Wut loswerden. Sein Blick suchte die Endzwanzigerin mit den dicken Brüsten – und fand sie. Langsam und vorsichtig folgte er ihr Richtung Marktplatz.

Am Samstag fand sich lediglich ein kleiner Artikel unten rechts im Innenteil der Nordwest-Zeitung:

Innenstadt / Junge Frau nach Stadtfestbesuch vergewaltigt. Täter flüchtig. Polizei ermittelt. Die Frau wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur weiteren psychologischen Betreuung in eine Klinik in Wehnen gebracht. Eventuelle Zeugen werden gebeten, sich bei der ermittelnden Polizeidienststelle zu melden.

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