Eine knappe halbe Stunde bevor Enno Melchert an der Lamberti-Kirche ankam, war Gerd Wanger gerade mit seiner Pizza Funghi und der Cola, die er kurz zuvor im Restaurant Mamma Mia mit Blick auf den historischen Eingang der Kirche genossen hatte, fertig.
Voller Vorfreude hatte er immer wieder die Anleitung auf seinem Handy gelesen, die ihn zu dem versteckten Cache in dem altehrwürdigen Gebäude mit seinen fünf großen Türmen führen würde.
Beiläufig warf er einen Blick hinüber zur Theodor Goerlitz-Statue. Der am 22. März 1921 mit knapper Mehrheit zum Oberbürgermeister gewählte Breslauer blickte von seinem Schreibtisch aus seinen bronzenen Augen teilnahmslos zurück. Bis 1932 war Goerlitz Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg gewesen, bis er von den Nazis abgesetzt wurde. Er schuf damals für Oldenburg die Voraussetzungen für die Entwicklung zur Großstadt, er sorgte für die Ansiedlung von Industrieanlagen und gemeindete Osternburg und Eversten ein. 2004 hatte man ihm dafür ein Denkmal Am Markt 1 gesetzt. Die Bronze-Plastik wurde von Waldemar Otto erschaffen. Von ihm und seinen Schülern zierten mittlerweile einige Kunstwerke die Stadt Oldenburg, zum Beispiel Am Cäcilienplatz oder am Stadtmuseum.
Genug Kulturgeschichte für einen Tag, dachte sich Gerd Wanger, steckte den kleinen Stadtführer ein und wandte sich dem Kellner zu, der gerade an seinen Tisch getreten war.
»Isch offe, es hade gesmegede. Dase machte neune Euro achzich, prego.«
Er reichte dem hochgewachsenen Kellner, der mit Sicherheit keine italienischen Wurzeln hatte, beiläufig zwei 5-Euro-Scheine. »Stimmt so«, sagte er und erhob sich.
»Mille mille grazie«, kommentierte der Kellner das großzügige Trinkgeld und begann den Tisch abzuräumen, während Gerd Wanger bereits auf dem Weg in die Kirche war.