Wenn ein Kind über den Krieg schreibt

Foto: Merle Werkmeister / Global Music Player Verlag

Malak Kadour hat eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Die 15-jährige sitzt ganz ruhig, aber mit ganz wachen Augen auf der Bank der IGS Flötenteich und steht allen Fragen zu ihrem ersten Buch Rede und Antwort. Und das, obwohl ihr Buch „Zwischen hin und her“ die dunkelste Zeit ihrer Vergangenheit thematisiert: die letzten Monate und die Flucht aus ihrem Heimatland Syrien.
Die Kinder ihrer Klasse an der IGS Flötenteich hatten im Rahmen einer Projektarbeit ihrer Klassenlehrerin Jule Sommersberg Anfang des Jahres, zwei Monate lang Zeit, an ihren Memoiren zu arbeiten. Das Ergebnis war beeindruckend, sagt die Lehrerin: „Da war klar, das sind 28 tolle Geschichten, aber diese eine, die bringt noch mehr an den Tisch. Nicht nur, weil, das, was sie erzählt, besonders ist, sondern auch, wie sie es erzählt.“

Malak hatte viel zu erzählen – und sie hat noch viel mehr zu erzählen. Auf knapp 100 Seiten hat sie ihre ungewöhnlichen Memoiren „Zwischen hin und her“ veröffentlicht. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund und sagt, wie es ist. „Du musst wissen, hier in Syrien herrscht Krieg“ erklärt sie in dem Buch, mitten in der Nacht gemeinsam mit ihrer Familie vor den Bomben zu fliehen, war für sie normal. „Da das zum Alltag gehörte, war das für uns genauso normal wie Wasser trinken.“ Sie und ihre Geschwister wussten, dass es auf dem Land sicherer war, als in der Stadt, weil dort nicht so viele Menschen zu treffen waren. Sie wussten, dass man beim Wurf einer Gasbombe so schnell wie möglich in die oberen Etagen fliehen musste, da sich das Gas auf dem Boden ausbreitet. Sie wussten, dass die Soldaten und der Krieg allgegenwärtig sind. Sie wussten, dass jedes zuhause nicht auf Dauer sein konnte. Und sie wussten nicht, wie sie die Zahl der Bekannten, die dem Krieg zum Opfer gefallen sind, noch zählen sollten. Irgendwann wurde es schlimmer. Als ihre beste Freundin Bushra einer Bombe zum Opfer fiel.
Das ist neu. Die Flucht aus der Sicht eines Kindes. Es gibt viele Bücher über die Flucht, über den Krieg, aber das Buch von Malak ist anders. „Sie hat ein Gespür. Sie weiß, was sie der Zielgruppe, den Kindern geben kann“, glaubt Annegret Meyer, ebenfalls Lehrerin der IGS Flötenteich.
„Ich hoffe, dass dadurch auch andere den Mut bekommen, ihre Geschichte zu erzählen“, sagt Jule Sommersberg. Und auch Malak ist es wichtig, „für die zu sprechen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können“.

Natürlich sind ihre Eltern, Saria und Adel – Protagonisten ihres ersten Buches – stolz auf das Werk ihrer Tochter. Gelesen haben sie das Buch allerdings nicht. „Es wäre zu schmerzhaft“, sagen sie, „das ist nicht einfach für uns, das alles noch einmal zu durchleben und aus ihrem Blickwinkel zu sehen“. Und auch von anderen Flüchtlingen hat Malak nicht ausschließlich Zuspruch erfahren, viele wollen dieses düstere Kapitel einfach vergessen. „Aber gerade junge Menschen sprechen mich immer wieder an“, sagt Malak, „Mitschüler freuen sich auf das Buch und möchten es lesen“.
Ab sofort gibt es „Zwischen hin und her“ über den Global Music Player Verlag zu kaufen.
Am 21. November präsentierte Malak Kadour ihr Erstlingswerk in einer Lesung in der IGS-Flötenteich (Hochheider Weg 169) ab 18:00 Uhr einem großen Publikum. (Ein Nachbericht folgt in der nächsten Ausgabe.)

Weitere Infos unter: www.globalmusicplayer.com/verlag

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